Was unser Handeln leitet
Nach welchen Grundsätzen ist acberatung ausgerichtet? Gibt es
bestimmte Denkschulen, die das Handeln prägen? Wird die Arbeit eher
auf Erfahrungswissen und –praxis oder auf ein wissenschaftlich
fundiertes Theoriegebäude abgestützt?
Über all die Jahre haben sich Systemtheorie und Radikaler
Konstruktivismus als die tragenden Pfeiler meines Theoriegebäudes
erwiesen. Theorien, die gut fundiert und breit anerkannt sind. Theorien
auch, in denen ein enormes Potential schlummert und die in Bezug auf
praktische Umsetzung in weiten Kreisen unbekannt sind. Ich bin
überzeugt, dass der Systemtheorie die Zukunft in der Beratungs- und
Veränderungslandschaft gehören wird.
Nur, was ist „die Systemtheorie“? - Im Zentrum der Betrachtungen
stehen nicht Personen, nicht Handlungen, nicht Unternehmen, sondern
eben „Systeme“. Hinter dem Begriff steckt weit mehr als eine abstrakte
Terminologie: Man „vergisst“ die realen Menschen und ihre
Interaktionsmuster und gewinnt durch diesen Zug eine Schärfe und
Klarheit, die zu neuen Einsichten führt. Dazu schafft man ein Modell, das eine hohe Erklärungskraft hat, trotzdem aber die komplexen Realitäten nicht
unzulässig vereinfacht. – Systemen wird die Eigenschaft zugesprochen, autonom zu sein (Autopoiesis). Autonom, in der Art wie sie auf Anregungen, Reize
reagieren, bis hin zur Tatsache, dass Systeme ihre Grenze zur Umwelt selbst erschaffen. Systeme mögen nach klaren inneren Regeln strukturiert sein, deren
Struktur mag vollständig bekannt sein, trotzdem ist durch die ungeheure Menge und Schnelligkeit von Rückkoppelungen das Verhalten, also die Systemantwort,
praktisch nicht voraussagbar. Kleine Inputs können zu grossen Veränderungen führen (Schmetterlingseffekt).
Systemtheorie hat seit ihren Anfängen, die auf etwa Mitte des 20. Jahrhunderts datiert werden können, den Anspruch gehabt, die Grenzen
von bestehenden Denkgebäuden zu erweitern und – integrierend – auf vielfältige Bereiche anzuwenden. Vor allem aber ist sie eine Antwort
auf die engen Grenzen der kartesianischen Denkform, die das westliche Denken und die Wissenschaft so entscheidend geprägt hat.
Genannt sei der Philosoph René Descartes, der die entscheidende Trennung von Subjekt und Objekt vollzogen hat: Der
Forschungsgegenstand, der vom aussenstehenden Menschen „objektiv“ untersucht werden kann, also ohne dass es zu einer Wechselwirkung
zwischen Subjekt und Objekt kommt. Die Welt wird als komplizierte Maschine begriffen, deren Räderwerk einer kausalen Logik gehorcht. Wirkungen sind direkt
an Ursachen gekoppelt (Kausalität). Diese Denkform hat uns beutellose Staubsauger und Flachbildschirme beschert, vor allem aber den Glauben eingeimpft, die
einzige zu sein um Wissen zu erzeugen und Wirklichkeit zu beschreiben.
Wie andere Theoriekonstrukte hat auch die Systemtheorie eine Entwicklung nach den Grundsätzen der Evolution durchgemacht. Heute finden wir auf der einen
Seite unter dem Begriff „Systemisches Denken“ ein Sammelsurium von schwer einzugrenzenden Denk- und Handlungsprinzipien, denen eine gewisse Beliebigkeit
anhaftet und auf der anderen Seite eine hochgradig abstrakte Theorie, ein streng logisch aufgebautes Werk, wie Niklas Luhman es entwickelt hat: Reduziert auf
Kommunikationseinheiten, welche die Basiselemente in seinem System sind. Kommunikationseinheiten, die sich so gebärden, dass die Wahrscheinlichkeit
entscheidend erhöht wird, dass eine Kommunikationseinheit an die andere anschliesst und so ein soziales System erschaffen wird. Eine Theorie mit Sprengkraft,
die aber analog mathematischen Axiomen und Regeln für sich allein nicht mehr als eine Struktur ist. So wie Mathematik erst dann einen Erklärungswert hat, wenn
sie als Ausdrucksweise, als Sprache, genutzt wird, um einen Gegenstand des Interesses zu durchdringen und zu beschreiben, ist die Systemtheorie ein
anspruchsvolles, aber wunderbares Werkzeug um soziale Systeme zu durchleuchten.
Bei aller Beschwerlichkeit, welche die Auseinandersetzung mit Systemtheorie mit sich bringt, es lohnt sich: Wie kaum bei einer anderen Denkform lassen sich so
unterschiedliche Perspektiven erzeugen. Sichtweisen, die Auswege aus festgefahrenen Denkschleifen aufzeigen und Veränderungswege aufzeigen. Und – last but
not least – mit der Systemtheorie haben wir ein umfassendes Erklärungsmodell in Händen, das auf dem gesamten Feld von Beratung und Veränderung Anwendung
findet. Also weg vom unseligen Fragmentieren in Dutzende von Teildisziplinen, jede eingekapselt in ihrem Betonbunker hin zu einer integrierenden
Rahmentheorie, die uns über Grenzen hinaus verstehen und Interventionen planen lässt.
Der Radikale Konstruktivismus, wie ihn Karl Popper und Heinz von Foerster beschrieben haben, besagt, dass Wirklichkeit in unseren Köpfen errechnet wird und
somit ein Produkt unseres Geistes ist. Dieses Abbild muss nicht „wahr“ sein, es muss nur zu unserer Lebensumwelt passen (Viabilität). Im Radikalen
Konstruktivismus sind Fakten eben nicht unumstössliche Gebilde, sondern Wirklichkeitsvorstellungen, die eben auch anders sein könnten. Damit lassen sich Wege
vorzeichnen, andere Vorstellungen, andere Standpunkte einzunehmen um aus festgemauerten Sackgassen herauszufinden. Systemtheorie und Konstruktivismus
greifen ineinander und ergänzen sich zu einem Ganzen. Ersteres auf der Theorieebene, das zweite als Haltung auf der persönlichen Ebene.
Von der Rahmentheorie auf eine konkretere Ebene
Die wichtigsten drei Einflusslinien für das Handeln in der Prozessberatung von acberatung sind:
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Lösungsorientierte Ansätze, insbesondere sei hier der «Solution focused therapy» - Ansatz von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg genannt.
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Gesprächstechniken, die verschiedene Formen des «Aktiven Zuhörens» beinhaltet, wie auch «Gewaltfreie Kommunikation» nach Marshall Rosenberg.
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Mentale Konzepte, zu denen autosuggestive Verfahren zu zählen sind. Um eines Herauszugreifen: Hypnosetherapie nach Milton Erickson.
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